Wir leben in einer Gesellschaft, in der es nach wie vor ein Tabu zu sein scheint, über psychische Erkrankungen zu sprechen. Es teilen zwar immer mehr Menschen ihre Erlebnisse in der Öffentlichkeit, was sehr begrüßenswert ist. Jedoch sind wir noch weit davon entfernt, dass seelisches Leiden als tatsächliches Leiden allgemeinhin akzeptiert ist. Gerade Aufklärung ist enorm wichtig und es gibt zwar durchaus Angebote, aber solange die Tabuisierung nicht überwunden ist, sind es wohl zu wenige. Aus diesem Grund möchten wir heute auf ein Thema aufmerksam machen, das in der Gesellschaft ziemlich wenig bis gar nicht besprochen wird: Skin Picking Disorder.
Was ist die Skin Picking Disorder?
Hierbei handelt es sich um eine üblicherweise chronische psychische Zwangstörung. Sie wird auch manchmal Exkoriationsstörung bzw. Dermatillomanie genannt. Betroffene Personen zupfen, kratzen, knibbeln und/oder nagen an ihrer Haut und fügen sich dadurch Verletzungen hinzu. Sie sind sich dessen oftmals bewusst und versuchen dieses Verhalten einzustellen, schaffen es jedoch nicht. Damit gehen Gefühle wie Angst und Anspannung, aber auch ein Gefühl des Kontrollverlusts hinsichtlich des eigenen Verhaltens einher. Viele Betroffene leiden gleichzeitig auch unter anderen psychischen Gesundheitsstörungen. Insgesamt ist das eine Erkrankung, die leider noch ziemlich wenig erforscht ist.
Symptomatik
Die Symptome sind sehr individuell. Die Körperstellen, an denen die Betroffenen zupfen und kratzen unterscheiden sich von Fall zu Fall, ebenso die Intensität und Methoden. Das zwanghafte Verhalten nimmt oftmals ritualartige Züge an und kann sowohl bewusst als auch unbewusst stattfinden. Betroffene tun dies nicht, weil sie mit ihrem Äußeren unzufrieden sind und etwa einen Pickel loswerden wollen - oftmals werden gesunde Hautstellen gekratzt. Die Stellen können sich mit der Zeit auch ändern. Es scheint, dass Stresssituationen oder allgemein negative Gefühle das Verhalten auslösen können. In bewussten Fällen kann es zu Schuldgefühlen und Scham kommen, denn gerötete Stellen, (offene) Wunden und Narben werden zu ständigen Begleitern dieser Störung, sodass ein Wunsch nach dem Verstecken der Hautschäden vor den Blicken anderer entstehen kann.
Das Verhalten tritt in sogenannten Episoden auf. Es entsteht ein innerer Drang danach, eine bestimmte oder mehrere Hautstellen zu bearbeiten. Das kann mit oder ohne Hilfsmittel wie Pinzetten, Scheren oder Messer geschehen. Die Betroffenen können diesem Drang in der Regel nichts entgegensetzen. Das Verhalten kann automatisiert und reflexartig ablaufen oder auch bei vollem Bewusstsein. Während der Aktivität ist die Schmerzempfindlichkeit oftmals enorm eingeschränkt, sodass auch der Körper keine oder nur ungenügend Warnsignale senden kann. Stattdessen empfinden die Betroffenen in dieser Situation Entspannung, Befriedigung oder Vergnügen. Zum Ende oder nach der Episode kommt es jedoch oft zur Reue und Schuldgefühlen. Die Episode endet erst, wenn der innere Drang nachlässt oder mit Erschöpfung und kann wenige Minuten bis hin zu mehreren Stunden dauern. Pro Tag wird von mehreren erlebten Episoden berichtet, in einigen Fällen können es jedoch bis über einhundert sein. Die Intensität der Episoden kann sehr stark variieren.
Ursachen
Da diese Erkrankung sehr wenig erforscht ist, gibt es zu den Ursachen bisher nur Annahmen und laufende Diskussionen, die sich um starken psychischen Druck und körperliche Belastungen drehen. Es wird zudem angenommen, dass Akne oder andere Hauterkrankungen, aber auch mitunter Langeweile die Entstehung begünstigen können.
Betroffene
Genaue Untersuchungen und Statistiken gibt es bislang nicht. Prinzipiell kann die Störung bei jeder Person jeden Alters auftreten, oftmals etwa im Jugendalter. Es wird davon ausgegangen, dass ca. 1-2 % der Bevölkerung betroffen sind, wobei der Frauenanteil auf etwa 75 % geschätzt wird.
Behandlung
Die Erkrankung kann psychische, aber auch gesundheitliche Auswirkungen haben. Von durch die Störung erzeugtem Stress bis hin zu Narbenbildung, Entzündungen und Geschwüren kann die Reihe an Folgen sehr breit sein, fällt jedoch individuell unterschiedlich aus. In jedem Fall sollte sie behandelt werden, um die Symptome zu lindern und die Lebenssituation zu verbessern. Dies kann durch eine kognitive Verhaltenstherapie stattfinden, aber auch durch Medikamente. Die Art der Behandlung wird individuell festgelegt.
Hast du den Verdacht, dass du an einer Form des Skin Pickings leidest?
Wenn dem so ist, dann ist es zunächst sehr gut, dass du dein Verhalten reflektierst und gleichzeitig solltest du dich dazu beraten lassen. Sprich mit deinem Hausarzt und hol dir ggf. eine Überweisung zu einem Spezialisten. Auch dein Hautarzt kann natürlich eine gute Anlaufstelle sein. Sprich auch mit Familie und Freunden darüber. In jedem Fall ist der Gang zum Arzt jedoch unausweichlich, um Gewissheit zu erlangen. Wir wünschen dir alles Gute!