"Schau mal, das ist vegan, das nehmen wir." – "Aber wir sind doch gar nicht vegan?!"
So eine oder eine ähnliche Situation haben schon viele von uns erlebt. Wie kommt diese Reaktion zustande? Gibt es tatsächlich den Glauben, vegane Produkte wären exklusiv für vegan lebende Menschen reserviert? Wahrscheinlich (und hoffentlich) nicht. Berührungsängste oder zumindest -bedenken wird es aber sicherlich zuhauf geben. Denn so wie bei veganen Nahrungsmitteln tierische Inhaltsstoffe fehlen, so erwarten sicherlich einige, dass bei anderen veganen Produkten entsprechend auch etwas fehlt. Dabei fällt dieser Verzicht z. B. bei Kosmetik oder Gegenständen aus dem Alltag kaum spürbar aus.
Um es einmal sehr simpel auszudrücken: vegetarisch bedeutet "ohne Fleisch" und vegan "ohne tierische Stoffe im Endprodukt oder innerhalb der Produktion". Tierisch meint hierbei das gesamte Tierreich, d. h. alle Wirbeltiere und alle mehrzelligen wirbellosen Tiere.
Der Unterschied zwischen veganer Ernährung und veganen Produkten anderer Art ist der, dass wir bei Nahrungsmitteln allein schon aufgrund unserer Erziehung zwischen Fleischgerichten und dem "Rest" unterscheiden und sich kulturell eine Situation ergibt, in der Fleischkonsum einen hohen Stellenwert hat. Bei anderen Produkten ist das aber sehr selten der Fall, abgesehen von Nischenthemen wie Schafsmilchseifen o. Ä. In der Regel denken wir abseits von Nahrungsmitteln nicht in dieser Dualität, einfach weil das im Alltag keine Rolle spielt und wir oftmals auch denken, dass viele Produkte ja gar keine tierischen Stoffe enthalten und genau das ist der große Irrtum. Tierische Stoffe werden allein bei der Produktion vieler Materialien eingesetzt. Oftmals sind sie im Endprodukt nicht enthalten und müssen daher auch in den Inhaltsstoffen nicht ausgewiesen werden, was zusätzlich unseren Irrglauben befeuert. Kleines Beispiel: Nicht-naturtrübe Fruchtsäfte, sagen wir mal Apfelsaft, werden ziemlich oft mit Gelatine bearbeitet, um die Trübung loszuwerden. Die Gelatine wird aus dem fertigen Saft wieder entfernt und der normale Verbraucher kommt gar nicht erst auf die Idee, dass der Saft nicht vegan sein könnte, da sich keine Hinweise darauf auf der Verpackung finden lassen. Tja, willkommen in unserer Welt.
Vegane Produkte zu bervorzugen bedeutet im ersten Schritt, Tiere zu schützen. Klar, das ist nicht das Allheilmittel und für den Fleischkonsum werden trotzdem Tiere geschlachtet. Und das Argument, dass die bei der Schlachtung anfallenden Überreste, die für den Fleischkonsum nicht verarbeitet werden können, weiterverwendet werden, anstatt einfach weggeworfen oder verbrannt zu werden, ist nicht von der Hand zu weisen. Und dennoch: Bei Beispielen wie dem Apfelsaft kommt man schon nicht umhin, sich zu fragen, ob das denn sein muss. Oder ob es nicht zumindest nicht mal gekennzeichnet werden könnte, damit man als Verbraucher eine realistisch faire Wahl treffen kann, ohne sich vorher mit der Produktion einer jeden Produktart beschäftigen zu müssen.
Der Begriff "vegan" ist unzertrennlich mit der Ernährung verbunden und so denken viele halt auch eben, vegan zu leben, bedeute "lediglich" eine Ernährungsumstellung. Dabei, wie bereits angedeutet, kann "vegan" je nachdem alles Mögliche bedeuten. Ist es nicht ein durchaus erstrebenswertes Modell für alle, die auf den Fleischkonsum nicht verzichten wollen, dann aber bei anderen Produktsparten auf vegane Alternativen auszuweichen? Warum nicht? Ja, natürlich wird es immer zynische Personen geben, die einem Scheinheiligkeit vorwerfen werden à la "ja, ja, schöne vegane Gesichtscreme und dann ein fettes Steak drauf". Aber wenn es Leute gibt, die sich vegan ernähren und darüberhinaus sich um tierische Stoffe in anderen Produkten keine Gedanken machen, geht es doch auch anders herum: Lecker Burger, aber sonst vegan. Oder einfach nur bei bestimmten Themen auf vegane Produkte setzen. Sich zu bemühen, hier und da etwas beizutragen, weil man keine radikalen Änderungen in seinem Leben wünscht, ist ein berechtigter Lebensentwurf. Vielleicht nicht für jeden, aber für viele und vor allem sollten wir uns hüten, da Scheinheiligkeit zu vermuten.
Daher folgendes Fazit: Es ist vollkommen unerheblich, ob Du Vollzeit-, Teilzeit-, Freizeit-, Hobby- oder gar kein Veganer bist – vegane Produkte sind für jeden da!