Wenn sich Menschen heutzutage über Nachhaltigkeit unterhalten, könnte man meinen, es gäbe primär zwei Lager: die Fundamentalisten, die dem Thema alles unterordnen und die Gegner, die Hab und Gut und Leben in Gefahr wähnen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass auch in diesem Fall der Mittelweg für den Moment die sinnvollste Option ist.
Nachhaltigkeit in der Wirtschaft
Viele Unternehmen haben mittlerweile erkannt, dass Nachhaltigkeit ein dicker, größtenteils unangerührter Kuchen ist und wollen ihr Stück davon abhaben. Dieses Stück kann gar nicht groß genug sein. Aber warum viel unternehmen, wenn man auch nur ein bisschen was tun kann oder vielleicht auch gar nicht viel oder gar nichts. Darüber reden kann man doch trotzdem. #wirsindstetsbemüht So kommt oftmals Greenwashing zustande. Lorbeeren abgreifen für etwas, worüber man größtenteils nur gesprochen hat. So einfach funktioniert die Wirtschaft manchmal. Und so frustrierend ist das Ergebnis, woran wir Verbraucher nicht unbedingt unschuldig sind, lassen wir uns doch gern von schönen Worten und blendenden Versprechen einlullen.
Es klingt aber auch zu schön, um wahr zu sein: gepflanzte Bäume hier, klimaneutraler Versand da, recyclebare Plastikverpackungen dadrüben und kompensierte CO2-Emissionen dahinten. Feels like Fortschritt oder? Na ja, nicht wirklich. Denn im Grunde ist jedes Thema davon ein Trend. Wenige machens vor und viele springen mit auf, auf die Fahrt Richtung Kuchen. Und wenn man auch ehrlicherweise sagen muss, dass einzelne Maßnahmen natürlich Sinn machen, so wird man als Beobachter dennoch das Gefühl nicht los, dass da viel Richtiges aus den falschen Gründen passiert.
Viele von diesen Maßnahmen werden von Konsumenten nach und nach als Musthave wahrgenommen: wie, hier wird nicht pro Bestellung ein Baum gepflanzt? Als kleineres Unternehmen schaut man zu und fühlt sich irgendwann dazu gedrängt, bestimmte dieser Maßnahmen zu übernehmen. Nicht, weil sie per se in jedem Fall sinnvoll sind, sondern weil die größeren Player faktischen Ablasshandel als Social Responsibility verkaufen. Und wenn man nicht nachzieht, dann bleibt man abseits. Dabei sollten wir doch gar nicht erst zum Kuchen fahren müssen?! Wie wäre es denn, wenn wir unsere Unternehmen direkt in die Torte bauen? Dann ist der Weg zur Kirsche an der Spitze auch nicht so weit.
Nachhaltigkeit im privaten Rahmen
Es ist schon sehr ironisch, dass wir Verbraucher von Unternehmen mehr erwarten als viele von uns bereit sind selbst zu tun. Die Firma soll mal einen Baum pflanzen, klimaneutral versenden, die CO2-Emissionen für ihre Produkte kompensieren und wenn ich von ihr kaufe, dann hab ich auch gleich etwas Gutes getan. Win win. Privat muss ich dann nicht mehr so viel tun, die böse Wirtschaft ist ja am umschwenken und deren Beitrag zur Klimakatastrophe ist eh viel größer. Was soll ich da schon ausrichten, wenn ich jetzt irgendwelche Bemühungen starte. Na okay, ich kann so ein bisschen meinen Müll sortieren. Also so, wie ich glaube, dass es Sinn macht, auch wenn ich eigentlich nicht genau weiß, ob das stimmt. Wird schon passen, ich hab eh ganz andere Probleme im Leben.
Und was ist jetzt mit Cherrypicking?
Es ist einfach, sich in eine Rolle zu begeben, die einer Art Opfermentalität entspricht. Das ist nicht richtig. Weder als Privatperson, noch als Unternehmen. Zugegebenermaßen fangen letztere seit geraumer Zeit mit Cherrypicking in Sachen Nachhaltigkeit an. Warum tun wir das privat nicht auch verstärkt
Mülltrennen ist ein Oldie, das reicht nicht mehr, sorry. Seine eigenen CO2-Emissionen berechnen und kompensieren ist echt nicht schwer und muss auch nicht teuer sein, solange man über einen Verein geht und nicht über ein gewinnorientiertes Unternehmen, das einem seine Dienstleistungen diesbezüglich aufdrängen will. Aber auch vieles andere: zwei Mal überlegen, bevor man etwas kauft, recherchieren welche Lebensmittel am wenigsten CO2 in der Produktion verantworten müssen, sich sozial engagieren oder einfach nur helfen, wo Hilfe benötigt wird. Überlassen wir das Cherrypicking nicht den Unternehmen allein. Uns steht auch allen ein Stück vom Nachhaltigkeitskuchen zu. Und wenn wir das alle mal raffen, dann können wir gemeinsam sicherstellen, dass auch in Zukunft mit dem Planeten Erde gut Kirschen essen ist.